Helga Thomas-Berke


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Zur Ausstellung "Unterwegs"

Rede von Dr. Jürgen Pech in der Galerie Brühl am 4. Juli 2013 anlässlich des 2. Platzes beim Faßbender Preis.

Die Ausstellung hat den Titel "Unterwegs" ,ein einzelnes Wort, ein knapper, kurzer prägnanter Titel, aber auch eine Bezeichnung, die bewusst doppelsinnig ist und die in die Irre führen kann. Die naturalistische Wiedergabe und Verdoppelung der Oberfläche der äußeren Wirklichkeit ist nicht das grundlegende Metier und auch nicht die zentrale Intention von Helga Thomas-Berke. Ich glaube dies behaupten zu können, denn ich kenne ihr Werk seit über 25 Jahren.

1987 zeigte die Ausstellungsgruppe, deren Mitglied ich damals war, ihre "Raumbilder" und zwei Jahre später waren ihre Werke im Rahmen der Ausstellungsreihe "Experimenta" zu sehen, die ich für die alljährlichen städtischen Präsentationen in der Orangerie von Schloss Augustusburg konzipiert hatte. Der Katalog, der damals veröffentlich wurde und mit "Bildraum-Farbraum" betitelt ist, zeigt quaderförmige, zwei Meter hohe Raumkörper, deren farbige Oberflächen Helga Thomas-Berke nicht mit einem Pinsel, sondern im direkten Arbeitsprozess mit den Fingern seismographisch gestaltet hatte. Das Resultat war, wie ich damals im Katalogtext schrieb, "Farbe, der das Taktile anhaftet, es sichtbar und spürbar lässt, Farbe, die Räume imaginiert und Farbe, die Bewegung immer noch ist."
Elf farbige Raumkörper wurden damals in der Orangerie zu einer Rauminstallation, zu einem begehbaren Farbraum zusammengefügt. Sie lagen auf dem Boden, bildeten ein Farbtor oder ein Farbfenster und wurden schließlich durch ein Farbtriptychon abgeschlossen. Mit ihren monolithartigen Blöcken, deren Farbspektrum von starkem Rot bis zu kälteren Tönen in blau oder grün reichte, erzeugte sie in der langgestreckten Orangerie eine beeindruckende Sogwirkung. Gleichzeitig gelang es ihr aber auch zu verdeutlichen, dass die Orangerie eine von Menschen benutzte, aber nicht auf sie bezogene Architektur besitzt.

Die Installation war zeitlich begrenzt, aber noch heute können wir uns von der lebendig-kontemplativen Wirkung ihrer Raumbilder in Bann nehmen lassen. Denn in der Brühler Filiale der Kreissparkasse Köln strahlt ein Ensemble von sechs schmalen, hochformatigen Gemälden das stille sowie magische Pulsieren von weiten und tiefen Räumen aus.

Schon damals ging es Helga Thomas-Berke nicht um ein Abbild der Wirklichkeit. Ein anderer Brühler Künstler - ich hoffe, dies so formulieren zu dürfen, obwohl Helga Thomas-Berke in Köln geboren wurde - hatte dieses neue Verhältnis zur Wirklichkeit legendenhaft als Initiationserlebnis, als erste Begegnung mit der Malerei, beschrieben. Er berichtete von seinem Vater, der ein Gartenstück malen wollte, hinausging vor die Natur, die Hecke, den Rasen und einen Baum skizzierte. Anschließend vollendete er zu Hause im Wohnzimmer eine wunderschöne Komposition, Öl auf Leinwand. Er war so stolz auf sein Kunstwerk, dass er mit dem Gemälde in den Garten ging und beides miteinander verglich - Naturvorbild und Kunstnachahmung - und erschrak. Denn er hatte, um die Komposition formvollendet zu gestalten, einen Ast des Baumes weggelassen. Wie sollte er das Dilemma dieser Differenz lösen? Der malende Vater, der Tradition und der Komposition verpflichtet, holte eine Säge und kappte den Ast vom Baum ab. Diesem Beispiel wolle er, so schließt der Sohn seinen legendenhaften Bericht ab, nicht folgen, er wolle Mutter Natur keine Gewalt antun.

Aber Spaß und Ernst beiseite. Gegenüber den Raumbildern der 1980er-Jahre verzichtet Helga Thomas-Berke in ihrer aktuellen Werkgruppe - alle Zeichnungen sind 2013 entstanden - auf jegliche Farbe. Wir sehen drei Formate. Kleine, leicht panoramaartige Querformate sowie mittlere und große Formate; alle sind mit Kohle und Graphit gearbeitet. Auf allen ereignen sich Wirbel, Tänze oder Kaskaden von Strichen, Linien und Bögen. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die Linien nicht nur kurz oder lang, schwungvoll gezogen oder seismographisch tastend aufgetragen sind, sondern dass verschiedene Linien auch Muster und wiederkehrende Strukturen enthalten. Obwohl die Künstlerin in ihrer aktuellen Werkgruppe bewusst auf Farbe verzichtet, lässt sich das, was ich damals über die Farbe bei H. Thomas-Berke schrieb, auf ihre Verwendung von Kohle und Graphit übertragen, nämlich: "Zeichnungen, denen das Taktile anhaftet, es sichtbar und spürbar lässt, Zeichnungen, die Räume imaginieren und Zeichnungen, die Bewegung immer noch sind." Die Zeichnungen imaginieren Räume, evozieren in uns Landschaften, lassen an Dünenstrände, an Blicke in weite Fernen und hohen Wolkenhimmeln, an Wolken oder Regennebel denken.

Der Irrweg, von dem ich zu Beginn in Bezug auf den Ausstellungstitel "Unterwegs" sprach, bezieht sich auf die Annahme, die Zeichnungen seien unterwegs entstanden, geben vor Ort angefertigte Impressionen der Natur wieder. Bei den kleinen Formaten wäre dies zwar durchaus denkbar, bei den großen Zeichnungen würde dies jedoch bedeuten, dass H. Thomas-Berke ständig mit einem Tisch unter dem Arm reisen müsste. Mit dem Ausstellungstitel "Unterwegs" meint sie jedoch den Arbeitsprozess selbst, die Zeit, in der ihre Arbeiten entstehen, die Zeit, die sie mit Kohle und Graphit auf weißen, leeren Papierflächen unterwegs ist. Die Zeit also, um Räume zu imaginieren.

Und mit ihren Zeichnungen schickt uns H.Thomas-Berke selbst auf eine Reise, über deren Ausgangspunkt, deren Inspiration sie selbst die folgende Formulierung gefunden hat: "Bewegung mit Licht und Schatten, das Geheimnis der Dunkelheit, ruhige und vibrierende Linien. Alles ist in einem Stück Natur enthalten. Das ist meine Inspiration."
Diese Aussage erinnert mich an die Maximen, die Émile Zola 1866 über die Kunst seines Freundes Paul Cézanne, einem der Wegbereiter der modernen Kunst, geäußert hatte: "Ein Kunstwerk ist ein Winkel der Schöpfung durch ein Temperament gesehen." Ein Winkel der Schöpfung, ein Teil der Natur, reicht zur Bestimmung der in sich autonomen Bildgestaltung vollkommen aus. Bei H.Thomas-Berke ist alles - wie sie schreibt - in einem Stück Natur enthalten. Dieses Stück Natur ist jedoch nicht Vorbild für eine Nachahmung, sondern lebendiger Ausgangspunkt, sozusagen der "elan vital" der Künstlerin.
Die Kunst, die Kunstfertigkeit von H. Thomas-Berke lässt sich also abschließend und mit Dank an Sie alle durch den folgenden Satz charakterisieren: "Nur der Blick einer leidenschaftlichen Künstlerin, sehbegabt und inspiriert, kann die Natur erneuern und beleben."
© Dr. Jürgen Pech, 4.7.2013

Helga Thomas-Berke

„Wenn eine Landschaft mich sehr berührt, dann hat es Sinn, sie zu malen“ sagt Helga Thomas-Berke über das Thema ihrer Malerei. Sie beleuchtet sie in ihren Bildern immer wieder von verschiedenen Seiten, lenkt den Blick auf das Erdige der Felder, das Grün der Bäume, die Bewegung oder die Ruhe von Wasserläufen, das Schweben der Wolken und die endlose Weite des Himmels. Es sind Skizzen, die in der Natur entstehen und im Atelier teilweise mit Lasuren überarbeitet und verdichtet werden.

Ihr malerisches Handwerk erlernte die in Brühl bei Köln lebende Künstlerin an der Kölner FH für Kunst und Design von 1970-75. „Ich arbeite gerne draußen in der Landschaft, baue dort meine Staffelei auf und lasse mich für Stunden von der Stimmung tragen.“ In den letzten drei Jahren sind die meisten Bilder in Polen entstanden. Das unberührte dieser Landschaft faszinierte sie sogleich. „Nirgends eine Autobahn, keine Betonbrücken oder Strommasten. Einfach nur Natur“, sagt sie. Dementsprechend kommen in ihren Bildern auch keine Menschen vor. Was sie zeigt ist das, was größer und gewaltiger ist als der Mensch.

„Wenn die Farben in der Landschaft strahlen, entsteht eine geheimnisvolle Atmosphäre“, sagt die Malerin zur magischen Dimension ihrer Arbeit. Einmal akzentuiert sie die grenzenlose Weite eines wolkenreich bewegten Himmels. Andere Male fängt sie malerisch die Präsenz dunkel-leuchtender Baumformationen ein. Zentrales Element ist immer wieder die Wirkung des Lichts. Dass kein einziges zivilisatorisches Anzeichen die Unberührtheit stört, ist bezaubernd wie irritierend. Doch genau das erweist sich bei genauerer Überlegung als das Zivilisatorische daran. Thomas-Berke lässt die unzerstörte üppige Landschaft zu einem Ort der Sehnsucht und einer unverwüstlichen Kraft werden.
In dem Wunsch, die unberührte Natur im Bild festhalten zu wollen, liegt das Eingeständnis, dass in der modernen Kulturentwicklung der Prozess ihres unvermeidlichen Verschwindens längst in vollem Gange ist.

Jürgen Kisters


 
Internetseite der Künstlerin Helga Thomas-Berke, Brühl.